Haushaltsrede 2024

9 Millionen Defizit – Kaum Spielräume – Schmerzhafte Entscheidungen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
geschätzte Mitarbeitende der Verwaltung,
liebe Gemeinderäte,
verehrte Bürgerschaft,
liebe Presse,

Vielen Dank an den Fachbereich Finanzen.
Ohne die hohe Kompetenz in diesem Fachbereich, wäre die Lage sicher noch schlimmer.

9 Millionen Defizit!

Im Haushalt steht ein Defizit von über 9 Millionen Euro.
 
Alle Fraktionen haben das Problem in den letzten Jahren angesprochen.
Uneinigkeit besteht darüber, wie es zu diesem Desaster kam und wie es zu lösen ist.

Einnahmen

Die Einnahmen sind nicht das Problem!

Diese steigen seit Jahren. Der Anteil an der Einkommenssteuer erreicht durch Grenzgänger eine beachtliche Höhe. Der leichte Knick wird durch höhere Schlüsselzuweisungen ausgeglichen. Die Gewerbesteuer erreicht Rekordwerte, und auch die Grundsteuer profitiert von gestiegenen Grundstückswerten.

Mitten in der Corona-Krise wurden Grundsteuer und Gewerbesteuer schon einmal erhöht. Weitere Erhöhungen sind angesichts der Belastungen von Bürgern und Unternehmen durch aktuelle Krisen keine realistische Option.

Eine Erhöhung der Grundsteuer belastet alle. Denn die Grundsteuer ist auf die Miete umlagefähig. Wer in der Presse bezahlbare Mieten fordert, sollte also gegen eine Grundsteuererhöhung stimmen.

Um die Einnahmen zu erhöhen, müssen zahlungskräftige Unternehmen angesiedelt werden. Laufende Ansiedlungen im Gewerbegebiet Brombach Ost und vielversprechende Pläne für die Lauffenmühle sind positiv. Vielfältige Branchen machen die Stadt krisenfest. Allerdings behindern Gesetze, Bürokratie und eine unflexible Verwaltung neues Gewerbe. Planungsstreitigkeiten, wie beim Vogelbachareal und KBC-Areal, schrecken ab.

Die rigide Einhaltung von Bebauungsplänen und Planungszielen dient nicht automatisch dem Allgemeinwohl. Ein Beispiel ist die unnötige Blendwand in der Weiler Straße. Der Erfolg eines Gewerbegebiets zeigt sich erst, wenn sich Gewerbe ansiedelt und Steuern zahlt.
 
Bildungseinrichtungen wie der Architekturstudiengang der DHBW steigern die Attraktivität des Standorts, doch auch dieser wurde leider vertrieben.

Die Stadt muss dringend aufhören überall zu blockieren und zu verhindern und beginnen Engagement von Unternehmen, Vereinen und Privatpersonen auch zu begrüßen und zu fördern.

Zusätzlich sind innovative Ideen gefragt.

Andere Städte nutzen beispielweise bereits freie Flächen im Eingangsbereich von Schwimmbädern als Werbeflächen oder präsentieren Sponsoren auf ihrem Weihnachtsmarkt. Das kann auch in Lörrach Einnahmen generieren.
 
Ausgaben

Das zentrale Problem liegt jedoch eindeutig auf der Ausgabenseite
Ganz gleich wo wir kürzen, wird es weh tun.

Vor 2 Jahren wurden Sozial- und Kulturbereiche gekürzt, mit der Zusage, sie nach einem Jahr zurückzunehmen. Diese Kürzungen wurden verlängert und werden wohl dauerhaft bleiben. Die Einrichtungen operieren am finanziellen Limit. Weitere Kürzungen werden in wenigen Monaten zur Schließung dieser Einrichtungen führen.
 
Selbst die vollständige Schließung mehrerer Einrichtungen würde nur geringe Einsparungen bringen. Das Sparpotential ist hier zu gering.  Beträge von 10.000 € sind für den städtischen Haushalt Peanuts, aber für die Einrichtungen existenziell.
 
Kürzungen führen zu hohen Folgekosten, da die Einrichtungen teilweise Pflichtaufgaben übernehmen, die die Stadt im Falle einer Schließung selbst übernehmen müsste.
 
Einsparungen in Jugendbetreuung und Kriminalprävention führen innerhalb weniger Jahre zu größeren Problemen. Dies belastet dann den städtischen Haushalt durch Vandalismus oder die nun notwendige Einführung einer neuen Stadtpolizei. Daher sind Kürzungen an dieser Stelle die allerletzte Option.

Also wo dann?
 


Sparvorschläge:

Potenzielle Einsparungen eröffnen sich durch die Zusammenarbeit mit Nachbarstädten. Beratungsleistungen, Software oder Verkehrszeichen könnten gemeinsam beschafft werden. Flyer zu Schottergarten-Alternativen müssen nicht individuell für jede Stadt erstellt werden.
 
Bürgerbeteiligungsprojekte sollten weniger nach Wünschen, sondern klar nach Sparvorschlägen fragen.
 
Personalkosten & 50 neue Stellen

Die größten Ausgabensteigerungen betreffen die Personalkosten und die Kreisumlage, jeweils mit über 4 Millionen Euro, wobei auch im Kreis die Personalkosten eine kräftige Steigerung erfahren haben. Insgesamt sind die Personalkosten im städtischen Ergebnishaushalt von unter 30 Mio. im Jahr 2020 auf fast 40 Mio. im Jahr 2024 gestiegen.

Gutes Personal ist wichtig und muss angemessen bezahlt werden.

Doch alleine im aktuellen Haushaltsplan werden 50 neue Stellen geschaffen. Nur wenige werden gestrichen, tauchen jedoch im Stellenplan der Wirtschaftsförderung wieder auf. Trotz der Stellen, die in den letzten Jahren für die Digitalisierung geschaffen wurden, zeigt sich keine spürbare Entlastung. Bemühungen Stellen abzubauen, sind nicht erkennbar.
 
Die Bürgermeisterin gibt an, dass 30% der Verwaltungsangestellten in den nächsten 10 Jahren in Rente gehen. Schon jetzt gibt es Probleme, freie Stellen zu besetzen. Da muss es möglich sein, diverse Stellen zu streichen.
 
Um zu einem ausgeglichenen Haushalt zurückzufinden, fordern wir einen Digitalisierungsplan, der das Personal entlastet und in den nächsten 10 Jahren 10-15% der Stellen einspart. Abteilungen die überlastet sind, müssen durch weniger Aufgaben entlastet werden.
 
Angesichts der bevorstehenden Pensionierungswelle ist dieses Vorgehen aus organisatorischen und finanziellen Gründen geboten. Immer noch mehr Personal ist weder verfügbar noch finanzierbar.
 
Die Ursache für den Stellenzuwachs bei Stadt und Kreis liegt in der Bürokratieexplosion der letzten Jahre. Es entstehen nicht nur immer neue Aufgaben, sondern bestehende Regelungen werden auf allen Ebenen auch immer strenger durchgesetzt.

Der Oberbürgermeister wies kürzlich darauf hin, dass der Wohngeldantrag nun 3 Mal so lang sei wie bisher. Die Bürgermeisterin beschreibt Projekte bei denen bisher 1 Ordner reichte und jetzt 3 benötigt werden. Zahlreiche Fachbereichsleiter berichten, dass Verordnungen sich schneller ändern als man sie lesen kann und auch der Wohnbau-Geschäftsführer kritisiert öffentlich die 20.000 Änderungen in der Baugesetzgebung.

Wir Freien Wähler sehen die Bürokratie als wachsende Belastung für die Mitarbeitenden und als Hauptursache für den steigenden Bedarf an Stellen.

Anteil der Stadt

Die Stadt trägt zum exponentiellen Bürokratiewachstum bei.
 
Unter anderem durch den Versuch, die hohen Energiespargesetze auf Kommunalebene zu übertreffen.
 
Dies verteuert nicht nur den Wohnungsbau, sondern auch Schul- und Verwaltungsgebäude  und erhöht den Personalaufwand. Wir fordern die Abschaffung der zusätzlichen städtischen Energiestandards und die Orientierung an den ausreichend hohen Bundesgesetzen für Bau und Sanierung. Dies wäre klimafreundlicher als das ewige Aufschieben notwendiger Sanierungen.

Verzettelung bei der Stadtentwicklung

Zudem muss sich die Stadt sich angesichts der Finanzen aus vielen Bereichen zurückziehen. Es ist nicht leistbar, jedes Wandelareal bis ins Detail zu planen und die Planungsziele streng durchzusetzen. Wir werden uns zwischen den Projekten entscheiden müssen,

KBC Areal, Vogelbachareal, Bühl III, Zentralklinikum, Kreis & Elisabethenkrankenhaus, Rathaus, Zollquartier… Die Liste bestehender und zukünftiger Entwicklungen ist lang und die Stadt kann nicht alles gleichzeitig leisten.

Verträge überprüfen

Die Freien Wähler unterstützen die Erneuerung der Mietverträge mit dem SAK. Diskussionen über Kostenaufteilung bei Baumaßnahmen verursachen Personalaufwand auf allen Seiten. Zudem ist der SAK ist nicht an die öffentliche Vergabeordnung gebunden, wodurch Baumaßnahmen günstiger werden.

Die öffentliche Vergabeordnung führt bei allen Baumaßnahmen der Stadt zu unnötig hohen Kosten und Personalaufwand. Diese sollte umgangen werden wo es möglich ist.

Weitere Verträge müssen auf Einsparmöglichkeiten überprüft werden.
 
Investitionen

In den nächsten Jahren stehen Investitionen in Millionenhöhe an.
Der Sanierungsfahrplan für Schulgebäude, ist endgültig gescheitert. Hellbergschule und HTG-Erweiterung wurden aus dem Haushalt gestrichen.
Stattdessen steht jedoch immer noch die Sanierung der Hartmattenstraße als Fahrradstraße im Haushalt obwohl diese auch ohne eine aufwändige Sanierung für den Radverkehr nutzbar ist.

Zudem steht das Rathaus nun mit Gesamtkosten von 70 Millionen im Haushalt.
Das Vorgehen der Verwaltung ist inakzeptabel, da von Anfang an eine Sanierung angepeilt wurde, ohne eine ernsthafte Prüfung für einen Neubau am aktuellen Standort. Bei einem Millionenprojekt dieser Größe wäre das sinnvoll.

Die vorliegende Machbarkeitsstudie hält die Sanierung für möglich, jedoch können Widersprüche zwischen Brandschutz und Denkmalschutz zur Kostenexplosion führen. Warum die Kosten eines Neubaus mit 17.000 qm gerechnet wurden und die Sanierung mit 10.000 qm wurde nicht schlüssig beantwortet.

Wenn am Ende doch in das statische Grundgerüst eingegriffen werden muss, verliert das Rathaus den Bestand im Erdbebenschutz und dann sind die Kosten nicht mehr beherrschbar.

Es ist zu befürchten, dass dieses Projekt dem Haushalt endgültig das Genick bricht. Das können und wollen wir nicht mit verantworten.

Bei der Fridolinschule sehen wir wie die Sturheit im Denkmalschutz, alleine bezüglich der Schieferziegel zu Mehrkosten von 600.000 Euro führt und Personal bindet.

Fazit

Im Haushalt stehen wichtige Dinge wie Schulen und Kindertagesstätten und im Stellenplan gibt es zahlreiche notwendige Stellen wie Erzieher und bei der Feuerwehr.

Doch die verfrühte Verengung in Richtung Rathaussanierung ohne belastbare Prüfung eines Neubaus, die verschobene Priorität vom Schulbau zu Fahrradstraßen und die Schaffung von 50 neuen Stellen bei gleichzeitiger Kürzung im soziokulturellen Bereich, können wir nicht guten Gewissens mittragen. Selbst eine erneute Erhöhung der Grundsteuer, kann das Millionenloch nicht stopfen, so lange das Grundproblem der Bürokratie nicht angegangen wird.

Wir Freien Wähler haben uns die Entscheidung über den Haushalt nicht leicht gemacht und bis zuletzt diskutiert.

Die vergangene Legislaturperiode stellte uns vor große Herausforderungen und die Finanzen sind kaum mehr planbar. Vor zwei Jahren haben wir Freie Wähler den Haushalt abgelehnt, da wir unsere Positionen nicht ausreichend berücksichtigt fanden. Im letzten Jahr sahen wir einen tragbaren Weg und stimmten zu.

Wie ist der Haushalt 2024 nun insgesamt zu bewerten?

Ist das Ergebnis nicht beeinflussbaren Faktoren geschuldet? Oder will die Verwaltung zu viel gleichzeitig entwickeln und gestalten, was zu Kosten und Personalaufwand führt?

Wir werden zum Haushalt nicht einheitlich abstimmen und überlassen es jedem Einzelnen, bei der Abstimmung seiner persönlichen Wertung und Überzeugung zu folgen.

Wir wünschen allen ein frohes Weihnachtsfest, ein erfolgreiches, gesundes neues Jahr sowie einen erfrischenden Wahlkampf.

Vielen Dank!

Für die Fraktion der Freien Wähler
Matthias Lindemer