Haushaltsrede 2022

Rede der Freien Wähler zum Haushalt 2022

Hohe Baukosten, Fahrradstraßen, Poller und Kürzungen im sozialen Bereich.
Freie Wähler lehnen Haushaltsplan ab!

Anrede und Dank

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
geschätzte Mitarbeitende der Verwaltung,
liebe Kollegen im Gemeinderat,
verehrte Bürgerschaft,

zunächst ein Dankeschön an den Fachbereich Finanzen, für die Erstellung des Haushaltsplans.

Zur aktuelle Lage

Noch vor einem halben Jahr hieß es, der Impfstoff wird uns die Freiheit bringen.
Wer das wirklich glaubte, wurde bitter enttäuscht.

Es wird wohl noch einige Zeit Maßnahmen geben – auch für Geimpfte.

Einnahmen

Während einige Unternehmen die Pandemie ganz gut verkraften oder sogar profitieren,
stehen Gastrobetriebe und Einzelhandel finanziell und psychisch an der Belastungsgrenze.
Die Maßnahmen haben ihnen die Geschäftsgrundlage entzogen.

Und wäre die Lage nicht belastend genug, erhöht der Gemeinderat die Gewerbesteuer.
In der derzeitigen Situation eine unangemessene Härte.

Zumal die Einnahmen nicht das Problem sind. Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre,
sind die Einnahmen fast immer gestiegen, seit 2010 haben sie sich verdoppelt.

Nur aufgrund des Wegzugs großer Unternehmen oder in der Krise, sinken kurzfristig die Einnahmen.
Dann läuft jedoch auch eine Steuererhöhung ins Leere.

Auch für die Grundsteuer hat der Gemeinderat eine Erhöhung beschlossen,
ohne sich über die Auswirkungen Gedanken zu machen.

Die Grundsteuer ist auf die Mieten umlagefähig. Wer Mietpreisbremsen fordert und gleichzeitig für eine Grundsteuererhöhung stimmt, ist entweder ein Heuchler oder hat keine Ahnung.

Die Erhöhungen haben wir abgelehnt und wurden überstimmt.

Gewerbegebiete

Wer Einnahmen erhöhen will, muss Betriebe anlocken und erhalten.
Besser geeignet, um Einnahmen zu steigern, ist der Ausbau der Gewerbegebiete.

Die Entwicklung des Lauffenmühle-Aeals ist eine richtige Investition. Ein klimaneutrales Gewerbegebiet hat eine eigene Zielgruppe aus passenden Branchen. Diese kann frühzeitig gefunden und an der Planung beteiligt werden. Dann werden Klimaneutralität und Gewerbesteuer nicht zum Zielkonflikt.

Gleichzeitig darf das Gewerbegebiet Brombach-Ost schnell fertig werden,
damit auch dort Gewerbe einziehen kann.

Start Up Academy und Wirtschaftsförderung können dafür sorgen,
dass sich neue Betriebe gründen und später in Lörrach niederlassen.

Ausgaben

Doch trotz aller Bemühungen, hat die Stadt  jedes Jahr ein Millionenloch.
Wieso kommt man nicht mit dem Geld der Bürger aus?

Am Meeraner Platz hängt ein blaues Banner: „Wir sind Fahrradstraße“. Der neue Belag kostete rund eine halbe Million €. Ein Teil bleibt bei der Stadt hängen.

„Wir sind jetzt Fahrradstraße.“ Blaues Banner am Meeraner Platz

Daneben fahren die mehrfach reparierten Poller im Minutentakt rauf und runter.
Die Anlagen mit Software kosten rund 250.000 €. Markierungen und Schilder, weisen auf den neuen Unfallschwerpunkt hin und eine halbe Personalstelle bearbeitet die Ausnahmeregelungen.

Poller belasten den Haushalt also auch dauerhaft.

Fahrradstraßen und Poller wurden ohne unsere Zustimmung beschlossen.

Kürzungen im sozialen und kulturellen Bereich

Und da das Geld ausgeht, werden im sozialen und kulturellen Bereich
Beträge zwischen 800 € und 10.000 € gekürzt. Auch in der Jugendarbeit.

Diese Kürzungen haben wir abgelehnt.
Kinder und Jugendliche haben zusammen mit der Kultur, am stärksten unter der Pandemie gelitten.

Ausgenommen von den Kürzungen wurde nur der Burghof.

Dabei ist kaum ein Kulturbetrieb mit so hohen Zuschüssen ausgestattet,
dass er ohne Gäste, plötzlich Überschuss erwirtschaftet.

Wir setzen viel Hoffnung in die neue Geschäftsführung des Burghofs und erwarten ein Programm,
das Lörrach kulturell bereichert und dem hohen Zuschuss gerecht wird.

Baukosten

Am Ende sind die gekürzten Beträge winzig im Vergleich zu den Baukosten.

Wir Gemeinderäte können diese Ausgaben im Einzelnen nicht prüfen.
Wir erhalten lediglich die Gesamtkosten, meist ohne Quadratmeterzahl oder Nutzerzahlen

Erst wenn durchsickert, dass z.B. Innentüren mit Sondermaßen eingebaut werden,
können wir die Ursachen hoher Kosten erahnen.

Wir fordern pragmatisch und nutzbar zu bauen.
Möglicherweise beauftragt die Stadt für dieses Ziel die falschen Architekten.

Bestes Beispiel ist das Museumsdepot mit 6,4 Millionen €

Den Beschluss haben wir mitgetragen, da so die aktuelle Miete für die Lagerung eingespart werden kann.
Allerdings hätte eine Stahlkonstruktion den selben Zweck erfüllt – für einen Bruchteil der Kosten.

Auch bei der geplanten HTG Erweiterung, muss man sich wundern.
Die dargestellten Kostenschätzungen ergeben 5.000€/qm.
Hatte uns die Verwaltung nicht 2500€ als im Schulbau angemessen dargestellt?

Wir warten auf den beantragten Vergleich der Kosten mit dem Baukostenindex.

Reduziert um 4 Millionen € belegt die Sanierung der Fridolinschule,
wie unterschiedliche Ausführungen sich auf die Kosten auswirken.

Auch die Mobilitätsdrehscheibe Brombach zeigt, was möglich ist.
Keine Überdachung für 2 Millionen €, sondern für 150.000 €.
Weniger komfortabel, erfüllt jedoch seinen Zweck.

Das Thema gipfelt in der Rathaussanierung.
Aktuell geht die Stadt von 60 Millionen für eine Sanierung und 90 Millionen für einen Neubau aus.
Für ein Verwaltungsgebäude einfach zu teuer.

Ein Buch mit den Daten und Fakten über Lörrach. Rechts Tempus Fugit. Im Hintergrund das Rathaus.

Die Prioritätslisten begrüßen wir. Prioritäten sind die Grundlage einer effizienten Arbeitsweise.

Dass nun die Hellbergschule trotz oberster Priorität verschoben wird, ist traurig.

Intensiv wurde über einen Sanierungsplan Schulbau debattiert und kurz vor dem Haushaltsplan über den Haufen geworfen. Die Begründung war nicht schlüssig.
Wir fordern mehr Transparenz, wenn Beschlüsse des Gemeinderats gekippt werden.

Als Ursache für hohe Kosten wurde häufig die Vergabeordnung angeführt.

Daher schlagen wir vor, eine Tochtergesellschaft nach dem Vorbild der Wohnbau zu gründen.
Diese könnte außerhalb der öffentlichen Vergabeordnung agieren und z.B. Schulen für die Stadt errichten.

Alternativ könnten in Zukunft auch Generalunternehmen beauftragt werden.

Personal

Die Personalkosten werden innerhalb weniger Jahre die aktuellen Einsparbemühungen auffressen.

Hoffnungen in die Organisationsuntersuchung, wurden enttäuscht.
Selbst im Jahr schmerzlicher Kürzungen entstehen neue Stellen.
Dabei sind bestehende gar nicht besetzt.

Niemand bestreitet, dass etwa Baumpflege und Kindertagesstätten zusätzliche Kräfte benötigen.
Doch insgesamt ist dieses Personalwachstum nicht vermittelbar und die Kosten nicht mehr leistbar.

Wir erwarten, dass durch die Digitalisierung der Personalbedarf sinkt und die aktuelle Umstrukturierung zur Entlastung des Personals führt.

Klimaschutz

Klima und Umwelt und das sparen von Geld sind keine Gegensätze.

Schon lange fordern wir, dass zusätzliche Kosten und Energie-Einsparpotential durch höhere Standards dargestellt werden. Auf diese Darstellung warten wir noch heute.

Investieren wir aktuell mehr Energie in die Herstellung von Dämmmaterial, als wir einsparen können?
Auch die Darstellung der „grauen Energie“ steht noch aus.

Laut Energiebericht verursachen wenige Gebäude, einen Großteil des Energiebedarfs.
Diese Gebäude müssen in den nächsten Jahren saniert werden.

Baukosten und Personalmangel bremsen jedoch den Fortschritt.
Ein weiteres Argument sich bei Sanierungen auf das Wesentliche zu beschränken.

Wohnen

Ähnliche Effekte wirken beim Wohnraum.
Wenn teuer gebaut wird, kann die Miete nicht günstig sein.

Durch zusätzliche Standards wirkt die Stadt hier mit.

Wer sich eine Sanierung nicht leisten kann, heizt weiter im alten Gebäude durch die Wände.
Oder er erhöht die Miete, damit die Sanierung sich rechnet.

Es ist beeindruckend wie die Wohnbau dennoch bezahlbare Wohnungen schafft.
Der Wohnraum in der Nordstadt wird dringend gebraucht.

Wir begrüßen, dass z.B. beim Wohngebiet Bühl III die Wohnfläche thematisiert wurde.
Kleinere Wohnungen ermöglichen kleinere Mieten.

Doch auch hochpreisiger Wohnraum muss entstehen dürfen!
Wir brauchen Wohnraum in jedem Preissegment.
Zum Glück wurde mit einer Stimme Mehrheit der Weg für das Hochhaus am Engelplatz geebnet.

Bei den Wohngebieten darf jedoch nicht vergessen werden, dass auch Infrastruktur benötigt wird.
Vor allem Schulen und Kindergärten sind eine Pflichtaufgabe.

Mobilität

Bei der Mobilität ist die S-Bahn das Rückgrat unseres Verkehrs.

Für das zweite Gleis, das sowohl den 15 Minuten Takt, als auch den Haltepunkt am Zentralklinikum ermöglicht, liegen die Kosten irgendwo zwischen 60 und 130 Millionen €.
Niemand scheint hier einen Rahmen setzen zu können oder zu wollen.

Auch die Bahn muss lernen mit Geld umzugehen,
da die kommunalen Haushalte die Mobilitätswende sonst nicht leisten können.

Nicht weniger zäh sind die Verhandlungen mit dem RVL.

Das 1€ Ticket erreicht sein Ziel. Es hat die Nutzung des ÖPNVs deutlich erhöht.
Allerdings muss die Stadt motivierter mit dem RVL, über die Einnahmen verhandeln.

Das 1 € Ticket nachts über dem Aichelepark

Der Stadtbusverkehr wird optimiert und erste Erfolge sind spürbar.

Dem Ortsbus 9 in Stetten geben wir eine Chance.
Sollte sich die Geschichte der Linie 9 wiederholen,
fordern wir eine sofortige Reaktion und kein kostenintensives Abwarten.

Um bei der Tramverlängerung vorwärts zu kommen, haben wir beim Zollquartier mitgestimmt.
Allerdings muss auch hier auf die Kosten geachtet werden.
Auf die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie freuen wir uns.

Zollquartier und Tram, sind aufgrund der pandemiebedingten Grenzschließungen wichtige Signale.

Am Ende brauchen wir ein Mobilitätskonzept.
Es ist dringend notwendig, um weitere Fehlinvestitionen wie in der nördlichen Baslerstraße zu vermeiden.

Fazit:

Abschließend sind wir mit dem Haushaltsplan 2022 nicht zufrieden.

Die Freien Wähler haben immer gewarnt, dass Ausgaben gesenkt werden müssen.
Doch man hat nicht auf uns gehört, sondern unsere Anträge zu den Baukosten letztlich sogar als Stammtischgeschwätz abgetan.

Zu oft sind wir mit unseren Anträgen und unserer Kritik an hohen Kosten abgewiesen worden.
Zu gering ist unser Einfluss auf diesen vorliegenden Haushalt,
sodass wir uns jetzt kaum darin wiederfinden.

Es gibt Teile die wir mitgetragen haben aber auch Teile die wir ablehnen.
Im gesamten entspricht der Haushalt nicht unseren Vorstellungen.

Die Freien Wähler sehen sich deshalb gezwungen den Haushaltsplan abzulehnen.

Dennoch wünschen wir allen Beteiligten eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Für die Fraktion der Freien Wähler,
Matthias Lindemer

Matthias Lindemer – Fraktionsvorsitzender